Die Arbeitsweise Schlaffhorst-Andersen

Die Arbeitsweise Schlaffhorst-Andersen basiert auf den Erfahrungen und Forschungen der Gesangs- und Atempädagoginnen Clara Schlaffhorst (1863-1945) und Hedwig Andersen (1866-1957).
Grundlage der Methode ist die regenerierende, belebende Wechselwirkung von Atmung, Stimmgebung und bestimmten elementaren Bewegungsformen auf den Organismus.
Die Arbeit und die Erfolge von Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen sind methodisch schwer zugänglich. Durch das Beschreiben der Arbeitsweise oder den Versuch einer wissenschaftlichen Erschließung dieses ganzheitlichen Tuns kann es leicht passieren, dass das eigentlich Wirkende und Bewirkende un­erkannt und unbeschreibbar bleibt.

Clara Schlaffhorst (1863-1945) und Hedwig Andersen (1866-1957)

Beide litten an schweren Erkrankungen der Atem- und Sprechorgane. Das Buch des amerikanischen Organisten und Gesangslehrers Leo Kofler über die Kunst des Atmens gab dem inneren wie dem äußeren Lebensweg von Clara Schlaff­horst und ihrer Freundin die entscheidende Wendung. Geleitet durch die Arbeit Koflers fanden beide vollständige Heilung.

                          
          Clara Schlaffhorst                                            Hedwig Andersen

Sie gingen daran, das Buch von Kofler - und zwar den Teil, der vom Atmen handelt - zu übersetzen. Sie blieben zäh dabei, sich forschend mit dem Wesen von Atmung und Stimme weiter vertraut zu machen.

Sie gründeten schließlich 1916 die Rotenburger Schule für Atem und Gesang. Die ungewöhnliche Bescheidenheit der beiden verhinderte nicht, dass diese auf ihre Weise genialen Frauen bekannt und anerkannt wurden und die Schule Schlaffhorst-Andersen von ihren Erfolgen her in der Fachwelt Gesicht und Form gewann. Ihre Forschungsergebnisse und ihre Arbeitsmethoden wurden diskutiert, auch deswegen, weil diese Ergebnisse zu vielerlei Bereichen menschlichen Lebens Bezug hatten und haben.

Clara Schlaffhorst schrieb dazu:

„Unser Ausgangspunkt war die musikalische Kunst. Im Ringen um die Wiederherstellung meiner Stimme sind wir, meine Freundin und ich, auf das Gebiet der Atmung geführt worden. Im Laufe der Jahre sind wir mit Staunen und wachsender Ehrfurcht gewahr geworden, dass es hier nicht nur eine rein technische Frage zu lösen galt, sondern dass wir uns plötzlich im Mittelpunkt der ganzen menschlichen Wesenheit befanden. Wir erlebten bei uns und unseren Schülern Umsturz auf allen Gebieten; zuerst gesundheitlich, körperlich. Aber auch geistige und seelische Umwälzungen traten ein. Wir merkten bald, dass es keine harmlose Aufgabe war, die Atmung der Menschen in Ordnung zu bringen, sondern dass wir damit immer an den innersten Wesenskern rührten.“

Schlaffhorst und Andersen haben aus sich heraus entdeckt, dass Leib und Seele eine Wesenseinheit bilden und dass man an diesem Wesen heilend etwas bewirken, in Ordnung bringen kann, wenn man den Atem in Ordnung bringt. Sie haben dies nicht nur erkannt, sondern auch Wege gefunden, auf denen solches In-Ordnung-Bringen bewirkt werden kann, und haben diese Wege schließlich so geebnet, dass ein seelisch feingliedriger Mensch dies erlernen und an andere weiterzugehen vermag.

Sie standen dabei in reger Verbindung mit den religiösen und weltanschaulichen Fragen ihrer Zeit. Schließlich sind ihre Erkenntnisse im Wesen in vielen Religionen schon bekannt – und doch bedürfen sie es immer wieder, neu in die entsprechende Zeit hin aufgedeckt zu werden.

Die Arbeitsweise Schlaffhorst-Andersen

Ziel der Arbeitsweise Schlaffhorst-Andersen ist die Wiederherstellung gesunder, natürlicher Organfunktionen als Grundlage für eine lebendige Einheit von Leib, Seele und Geist. Im Zentrum steht die Arbeit an der physiologischen Dreiteiligkeit des Atemrhythmus. 

Fünf Regenerationswege wurden dazu entwickelt:

Kreisende, schwingende, rhythmische Bewegung, Atmen und Tönen.

Der Arbeitsweise liegt ein ganzheitlicher Ansatz zu Grunde, die Techniken können bei Bedarf aber störungsspezifisch eingesetzt werden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Rhythmus der Atmung und der Bewegung zu.

Der Mediziner Herbert Krauß beschrieb die rhythmischen Atemphasen (den dreiteiligen Atemrhythmus) nach Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen wie folgt:

  • inspiratorisches Spannen der entsprechenden Muskeln, insbesondere des Zwerchfells mit dem Aufbau der elastischen und viskösen Kräfte in den Lungen und im äußeren Atemapparat,
  • Ausatmung als Phase muskulärer Abspannung,
  • Atempause als den entscheidende Abschnitt für die Herstellung der optimalen Ausgangslage für die neue Atemperiode. (vgl. Herbert Krauß, Atemtherapie, S. 156)

Es kommt nach Krauß zu einer rhythmischen „funktionsgerechten zeitlichen Bemessung der drei Atemphasen" in den Schwingeübungen nach Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen.

Unter allen Übungsweisen der Methode ist das „Schwingen“ am bekanntesten geworden.

Das Schwingen ist in der Übungsweise nach Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen eine Bewegung, die zum Verständnis des Zusammenhangs von Atem und Stimme hinführen soll.

Martaluise Merckens schreibt dazu in ihren Unterrichtsnotizen von 1941:

„Im Leben und Werk von Clara Schlaffhorst spielte die schwingende Bewegung eine bedeutende Rolle. In der von ihr entwickelten Übungsform des Schwingens trafen sich für sie ihre ureigensten Wünsche. Sie wollte einst tanzen und musste dann singen. Die Bewegungsformen des Schwingens und Kreisens dienen den Tänzern wie den Sängern. Sie stellen die Verbindungen her und sind in beiden Bereichen verantwortlich für die Übergänge, die schwingend und kreisend erreicht werden müssen. Alles Lebendige ist schwingend und kreisend miteinander verbunden. Schwingung ist nach Clara Schlaffhorst ein Teil des Rhythmus.“